Hinten im Bus – Gewalt und Notrufe

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Foto: purplemattfish CC BY-NC-ND 2.0

Seit einigen Wochen sitzt dieser Text hier in meinen Entwürfen und ich habe gezögert, ihn tatsächlich zu veröffentlichen. Weil er sich so privat anfühlt und Erinnerungen betrifft, die ich nur mit sehr wenigen Menschen geteilt habe. Weil er Erfahrungen wieder hochholt, die mich mehr geprägt haben, als mir oft bewusst ist. Weil es mir peinlich ist, über das alles nachzudenken und es nach so langer Zeit, mehr als 15 Jahren, wieder auszugraben.
Also habe ich den Entwurf immer wieder mal rausgesucht, aber dann doch wieder weggeklickt. Alte Wunden lieber in Ruhe lassen, spielt ja auch keine Rolle mehr heute, alles so lange her. Wen interessiert das denn noch heute?
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Queere Musik – Sommer 2015

Es ist ein paar Monate her, seit ich zuletzt neue Fundstücke vorgestellt habe, also Musik von oder über LGBTQIA. Da hat sich einiges angesammelt, also heute direkt 6 Songs, die mir in den letzten Monaten aufgefallen sind. Wie immer trifft nicht jedes der Lieder unbedingt meinen persönlichen Musikgeschmack, aber alle Videos haben es geschafft mein Interesse zu wecken — sei es wegen der Videos, des Textes oder der Herkunft der Künstler:

1. Mashrou‘ Leila – 3 minutes / مشروع ليلى – ٣ دقائق


Die Alternative Band Mashrou‘ Leila („Projekt einer Nacht“, oder auch „Leilas Projekt“) aus Beirut im Libanon, ist im gesamten Mittleren Osten extrem erfolgreich, obwohl oder vielleicht auch gerade weil sie Tabu-Themen in ihren Songs behandeln — etwa vorehelichen Sex, Homosexualität und Genderrollen.
In weichem Arabisch vermischen sie den Pop ihrer Region mit westlichem Alternative Rock, unter Führung ihres schwulen Lead-Sängers Hammed Sinno (und es kann gerade in dieser Region nicht ganz einfach sein, geoutet zu leben und den traditionellen Elementen der Bevölkerung die Mittelfinger zu zeigen). Was sie aber besonders interessant macht ist, dass sie dem bei uns vorherrschenden Bild des Mittleren Ostens als uniformes, rückständiges, bedrohliches Gebilde widersprechen.
Jedenfalls zeigt der Erfolg der Band, dass viele junge Libanesen weit liberaler, aufgeklärter und moderner sind, als etwa die Trampel bei Pegida und den „Demos für Alle“.
In „3 Minutes“ befasst sich die Band mit Zensur und den Zwängen und Restriktionen, denen sie in ihren Liedern ausgesetzt sind.
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Queer TV – 4 (Streaming) Serien-Tipps

Als ich über diesen Blog-Eintrag nachgedacht habe, um eine Liste mit bemerkenswerten Serien der letzten Zeit zusammenzustellen, landeten ziemlich schnell vier von Online-Streaming-Diensten ganz oben. Das soll hier jetzt keine Werbung für diese Services sein (auch wenn ich zugegebenermaßen relativ lange ein begeisterter Abonnent von Netflix bin), sondern spricht eher dafür, dass gerade diese vergleichsweise jungen Angebote sich wohl mehr trauen. Jedenfalls haben es diese vier Serien im letzten Jahr geschafft, mich besonders mit ihrer Darstellung von LGBTQ-Figuren zu überraschen.

Ich hatte vor einiger Zeit ja bereits geschrieben über Queere Repräsentation im Kino und TV, und habe danach auch interessante Mails und Nachrichten bekommen dazu. Eine Frage stellte sich immer wieder: Ist es so erwähnenswert oder sogar erstrebenswert, dass queere Figuren in den Massenmedien auftauchen? Bringt Repräsentation wirklich was? Ist das nicht total egal?
Ich spare mir mal, die ganzen Argumente zu wiederholen. Ob man nun an den Sinn glaubt oder nicht: Wenn LGBTQ-Figuren gezeigt werden, ist ja in jedem Fall nicht unwichtig, ob sie glaubhafte, vielschichtige Charaktere sind oder nur die alten, müden Klischees.
Also hier vier Serien, bei denen sich zumindest ein Blick lohnt:

Orange Is The New Black (Netflix)

Vermutlich haben die meisten zumindest schon mal von der Serie gehört, die inzwischen zu etwas wie dem Flaggschiff von Netflix geworden ist. Seit 2013 hat die Show reihenweise Preise eingesammelt, wurde zum Kritiker-Liebling und hat begeisterte Fans. Vor kurzem erst wurde die dritte Staffel verfügbar, wie üblich mit allen Folgen auf einmal.
Die Geschichte um das Frauengefängnis Litchfield Penitentiary bietet nicht nur einen interessanten Mix aus Comedy und Drama, mit komplexen, wundervollen Charakteren, sondern vor allem auch jede Menge Perspektiven von Minderheiten, die sonst wenig auftauchen im TV.
Besonders Laverne Cox wurde über Nacht zu einer der ersten Trans-Frauen in der amerikanischen Öffentlichkeit, die wirklich sichtbar ist und fast so etwas wie die Queen der US-Trans-Community.
Definitiv eine der besten Shows der letzten Jahre und eines der seltenen Angebote, bei dem der Fokus auf weiblichen Perspektiven liegt.
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Der Anfang vom Ende – Das irische Referendum und wir

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Foto: erin m CC BY-NC 2.0

Samstag. Ich klicke mich durchs Internet, gespannt darauf, wie das Ehe-Referendum in Irland ausgegangen ist. Als erstes Land der Welt ließ Irland die Bevölkerung entscheiden, ob die Ehe offen für alle Paare, unabhängig von Geschlechtskonstellation, sein soll.
Eine Rekordwahlbeteiligung und ein „Ja“ in jedem einzelnen Wahlbezirk bis auf einen haben sehr deutlich gezeigt, dass selbst in konservativen Teilen der Bevölkerung die meisten das Thema leid sind.
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3 Filmtipps: Test, Hawaii und Shelter

Mit dem kommenden langen Wochenende, ist das doch der ideale Zeitpunkt für drei Filme aus dem Gay Cinema, die zu meinen Favoriten gehören:

Test (2013)


San Francisco, 1985: Kurz, nachdem der erste HIV-Test verfügbar wird, sieht sich Tänzer Frankie mit der Frage konfrontiert, ob er sich testen lassen soll. Die Angst vor AIDS greift um sich und verlässliche Informationen über die neue Krankheit hat fast keiner.
Ein faszinierender Blick in eine Zeit, in der Grundwissen über HIV noch nicht selbstverständlich war. Mich hat „Test“ gepackt, was auch an der nachdenklichen Stimmung und der ruhigen Romanze zwischen Frankie und Todd lag.
Test ist auf DVD und als Instant-Video verfügbar (im Orginal mit deutschen Untertiteln). Außerdem findet er sich auf Netflix US und Canada.
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Sei doch mal normaler! – Das Schreckgespenst der Homo-Lobby

Sei doch mal normaler! – Das Schreckgespenst der Homo-Lobby

Foto: Danilo Urbina CC BY-NC-ND 2.0

„Ihr solltet euch nicht als anders bezeichnen. Ist doch kein Wunder, dass ihr ständig ausgegrenzt werdet, wenn ihr das selber macht“
Da sitze ich also nun, erst mal sprachlos. Mit einem einzigen Kommentar ist eine Diskussion komplett entgleist, in der wir über die Erfahrungen von LGBTQ-Jugendlichen gesprochen haben, die sich oft isoliert und eben anders fühlen.
Nach zwanzig Minuten, in denen die Debatte zunehmend hitziger wird, klinke ich mich aus. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich dieses Argument höre:
Ihr seid ja selber schuld. Mit ein bisschen mehr Diskretion und Anpassung wäre das alles kein Problem. Die Trans-Person kann ja auch nur Zuhause ihre/seine wahre Gender-Identität ausleben und sich sonst „verkleiden“. Ein_e Trans-Jugendliche_r kann ja auch erstmal warten, bis er/sie erwachsen ist, eine ungewollte Pubertät durchgemacht hat und dann die Hilfe bekommt, die er/sie braucht.
Die gleichgeschlechtlichen Paare können ja durchaus auch außerhalb der Wohnung so tun, als wären sie nur richtig enge Freunde.
Und so weiter und so fort.
Alles durchaus zumutbar, wenn man ein bisschen versucht sich anzupassen an die Mehrheit.
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April 2015 – 7 LGBTQ-Musiktipps

Wieder ein Monat rum und in den letzten Wochen gab es eine richtige Flut neuer Musik von queeren Künstlern und/oder über LGBTQ-Themen. Also diesmal gleich 7 meiner Favoriten der letzten Zeit:

1. Josef Salvat – Hustler


Der australische Sänger wurde letztes Jahr bekannt durch ein Cover von Rihannas Diamonds. Das neue Video zu Hustler hat schon fast etwas von einem Kurzfilm und spielt mit Themen wie Bi-/Pansexualität und gekaufter Intimität.
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Die falsche Art von schwul – Die Suche nach dem besten Freund

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Foto: Bryan Rosengrant CC BY-ND 2.0

Vor einer Weile hat es mich auf eine Party verschlagen. Nicht unbedingt mit engen Freunden – mehr ein paar gute Bekannte. Ich kannte die meisten dort nur vom Sehen, wenn überhaupt. Aber bereits bei meiner Ankunft wurde mir schnell klar, dass die Gastgeberin so „nett“ gewesen war, mich anzukündigen.
„Tim ist übrigens schwul“. Lieber nicht riskieren, dass jemand was politisch Inkorrektes sagt und mich vielleicht vor den Kopf stößt. Ich frage mich dabei immer, ob meine sexuelle Orientierung das einzige Interessante ist, was es über mich zu erzählen gibt. Aber es war gut gemeint. Was soll’s.
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3 LGBT-Filmtipps: G.B.F., The Sex of Angels und OUT in the Line-Up

Das Wochenende steht vor der Tür, also Zeit für ein paar Filmtipps aus dem LGBTQ-Cinema. Diesmal ein romantisches Drama aus Spanien, eine High-School Komödie und ein Dokumentarfilm:

El Sexo de los Ángeles – Angels of Sex/The Sex of Angels (2012)

Angels of Sex from Golden Trailer Awards on Vimeo.

Student Bruno lebt glücklich mit seiner Freundin Carla in Barcelona. Doch dann trifft das Paar auf Rai, einen charismatischen Straßentänzer und Kampfsportlehrer. Zuerst verfällt Bruno seinem Charme, doch bald kann ihm auch Carla nicht widerstehen. Eine ungewöhnliche Dreiecksbeziehung beginnt, nicht ohne Konflikte.
Es gibt nicht sehr viele Filme, die sich mit Bisexualität/Pansexualität beschäftigen und noch weniger, die sich an das Thema unkonventioneller Beziehungen, wie etwa eine offene Beziehung zwischen drei Partnern wagen. Ein modernes, nachdenkliches Drama für ein verregnetes Wochenende.
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Bildungspläne – LGBTQ-Jugendliche und Ahnungslosigkeit

„Ich glaube, dass der Aufklärungsunterricht, den ich in der Schule hatte, unzureichend war. Ich denke die jetzige und zukünftige Regierungen müssen einen stärkeren Fokus auf dieses Thema legen. Der Aufklärungsunterricht, den ich erhalten habe, war mangelhaft und ich wurde nicht genügend informiert. Wenn ich mit siebzehn mehr gewusst hätte über diese Themen, dann hätte ich bestimmt anders gehandelt.“

Bullied

Foto: Lee Morley – JLM Photography. CC BY-NC-ND 2.0

Das schrieb James Hanson (heute vierundzwanzig Jahre alt) letzte Woche, nachdem eine britische Studie des National Aids Trust (NAT) veröffentlicht wurde. Er hat sich mit achtzehn Jahren mit HIV infiziert und findet harsche Worte für die mangelhafte Aufklärung an britischen Schulen:
„Ich erinnere mich daran, in einem Klassenzimmer voller Jungs gesessen zu haben, mit zuviel Angst, als dass ich Fragen gestellt hätte. Mit vierzehn wusste ich, dass ich schwul bin. Ich wusste, dass ich mich zu Jungs hingezogen fühlte und nicht zu Mädchen, und es verwirrte mich, dass mir nichts über Beziehungen zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts beigebracht wurde. Ich traute mich nicht, meine Lehrer anzusprechen – sie sprachen nie darüber, also nahm ich an, dass es falsch sei, schwul zu sein.“
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