Als ich über diesen Blog-Eintrag nachgedacht habe, um eine Liste mit bemerkenswerten Serien der letzten Zeit zusammenzustellen, landeten ziemlich schnell vier von Online-Streaming-Diensten ganz oben. Das soll hier jetzt keine Werbung für diese Services sein (auch wenn ich zugegebenermaßen relativ lange ein begeisterter Abonnent von Netflix bin), sondern spricht eher dafür, dass gerade diese vergleichsweise jungen Angebote sich wohl mehr trauen. Jedenfalls haben es diese vier Serien im letzten Jahr geschafft, mich besonders mit ihrer Darstellung von LGBTQ-Figuren zu überraschen.
Ich hatte vor einiger Zeit ja bereits geschrieben über Queere Repräsentation im Kino und TV, und habe danach auch interessante Mails und Nachrichten bekommen dazu. Eine Frage stellte sich immer wieder: Ist es so erwähnenswert oder sogar erstrebenswert, dass queere Figuren in den Massenmedien auftauchen? Bringt Repräsentation wirklich was? Ist das nicht total egal?
Ich spare mir mal, die ganzen Argumente zu wiederholen. Ob man nun an den Sinn glaubt oder nicht: Wenn LGBTQ-Figuren gezeigt werden, ist ja in jedem Fall nicht unwichtig, ob sie glaubhafte, vielschichtige Charaktere sind oder nur die alten, müden Klischees.
Also hier vier Serien, bei denen sich zumindest ein Blick lohnt:
Orange Is The New Black (Netflix)
Vermutlich haben die meisten zumindest schon mal von der Serie gehört, die inzwischen zu etwas wie dem Flaggschiff von Netflix geworden ist. Seit 2013 hat die Show reihenweise Preise eingesammelt, wurde zum Kritiker-Liebling und hat begeisterte Fans. Vor kurzem erst wurde die dritte Staffel verfügbar, wie üblich mit allen Folgen auf einmal.
Die Geschichte um das Frauengefängnis Litchfield Penitentiary bietet nicht nur einen interessanten Mix aus Comedy und Drama, mit komplexen, wundervollen Charakteren, sondern vor allem auch jede Menge Perspektiven von Minderheiten, die sonst wenig auftauchen im TV.
Besonders Laverne Cox wurde über Nacht zu einer der ersten Trans-Frauen in der amerikanischen Öffentlichkeit, die wirklich sichtbar ist und fast so etwas wie die Queen der US-Trans-Community.
Definitiv eine der besten Shows der letzten Jahre und eines der seltenen Angebote, bei dem der Fokus auf weiblichen Perspektiven liegt.
Transparent (Amazon)
Eine der ersten großen Eigenproduktionen für Amazons Streaming-Service schlug auch direkt ein wie eine Bombe: Ein Golden Globe für die beste Serie und nahezu uneingeschränkter Jubel von Kritikern und Zuschauern.
Jeffrey Tambor spielt Moira, die sich, nach Jahrzehnten als Familienvater, nun als Transgender outet. Die Serie folgt ihr und ihrer Familie, beschreibt, wie sie mit diesen Änderungen in ihrem Leben umgehen.
Fantastisch geschrieben und eine der unheimlich wenigen Serien, die Trans-Personen nicht nur nicht als Freaks darstellen, sondern sogar zum Mittelpunkt einer glaubhaften Story machen. Die zweite Staffel wird noch in diesem Jahr rauskommen und eine dritte ist bereits in Arbeit.
Grace and Frankie (Netflix)
Zwei Frauen erfahren von ihren Männern, dass diese seit Jahrzehnten eine Affäre miteinander haben und nun beabsichtigen sich scheiden zu lassen, um einander zu heiraten. Was sich wie ein etwas schräger, typischer Aufhänger für eine Sitcom anhört, wird durch die Schauspieler und die wunderbare Leistung der Autoren zu einer ungewöhnlichen Show.
Eine Comedy-Serie, die mich ziemlich überrascht hat: Nicht nur, dass zwei ältere Frauen der Fokus sind (die ja in den Medien gerne spurlos verschwinden), sondern es wird zudem auch ein Lebensabschnitt schwuler Männder beleuchtet, der ebenfalls selten eine Rolle spielt: Das Alter. Neben der britischen Serie Vicious , gibt es nur eine handvoll Filme oder Serien, die sich nicht nur ausschließlich um Schwule unter 30 drehen.
Unheimlich witzige Serie, nicht zuletzt dank der Besetzung: Jane Fonda, Lily Tomlin, Martin Sheen – alles grandiose SchauspielerInnen.
Sense8 (Netflix)
Acht Personen, über die ganze Welt verstreut, sind plötzlich mental und emotional miteinander verbunden. Von den Wachowskis (Matrix) und J. Michael Straczynski (Babylon 5) kommt eine ungewöhnliche Sci-Fi Serie, die durchaus ein paar Schwächen hat. Die Vielzahl der Charaktere und das langsame Erzähltempo dürften nicht jedem gefallen.
Was die Serie so ungewöhnlich macht, sind vor allem zwei Faktoren:
Der internationale Anspruch – soll heißen, Netflix experimentiert hier mit einer Produktion, die sich global orientiert und gleichzeitig in einer Vielzahl unterschiedlicher Märkte, in denen der Service agiert, funktionieren soll. Also werden bekannte Schauspieler, Autoren und Regisseure aus den Zielmärkten verwendet (für Deutschland etwa Max Riemelt und Tom Tykwer) und die Serie wurde mit einer riesigen Menge unterschiedlicher Synchros/Untertitel versehen.
Der zweite Faktor ist noch deutlich interessanter: Ganz selbstverständlich spielen LGBTQ-Themen eine große Rolle. Mehrere der Hauptfiguren und der Handlungsstränge sind queer, werden aber nicht auf diesen Faktor reduziert.
Gerade in einem Genre wie Sci-Fi, ist es sehr erfrischend, das so selbstverständlich eingewoben zu sehen. Sense8 ist nicht perfekt, aber ein Reinschauen lohnt sich und ich bin gespannt, wie es weitergeht mit den Sensates.