Intime Geste, politischer Akt – Alltägliche Homophobie

In einem TEDx-Talk in Dublin sprach die bekannte irische Drag-Queen Panti, 2014 ausgezeichnet mit dem „People of the Year Award“ in Irland, über alltägliche Homophobie und deren Auswirkungen auf ihren Alltag:
„Ich bin 45 Jahre alt und ich lasse es mir nicht mehr gefallen, weil ich nicht mehr die Energie dazu habe. Das alles hinzunehmen ist erschöpfend. Ich bin 45 Jahre alt und ich nehme es nicht mehr hin, weil ich ich die Geduld nicht mehr habe.“
Holding Hands Foto: Guillaume Paumier CC BY 2.0

Panti beschreibt in ihrer Rede die kleinen, scheinbar unwichtigen Dinge im täglichen Leben, die wir nicht in gleicher Weise erleben, wie der Rest der Gesellschaft:

„Ich bin 45 Jahre alt, und ich habe noch nie unbeschwert, beiläufig, ganz selbstverständlich, die Hand eines Partners in der Öffentlichkeit gehalten.
Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen sich das überhaupt vorstellen können, weil, klar, das ist so eine kleine Sache, nicht wahr? Händchen halten mit dem oder der Geliebten in der Öffentlichkeit.
Und nicht, weil wir nicht wollten; es ist nur so, dass wir uns nicht ganz wohl beim Gedanken daran gefühlt haben.
[…]
Und doch: Jeden Tag bin ich neidisch auf heterosexuelle Paare, weil diese private, kleine, intime Geste der Zuneigung mir niemals möglich war.
[…]
Weil Homosexuelle nicht einfach so Händchen halten können in der Öffentlichkeit, ohne vorher erst die Risiken abzuwägen. Homosexuelle können sich nicht einfach einhaken oder die Hand auf die Taille des Partners legen, ohne vorher über die möglichen Konsequenzen nachzudenken. Wir sehen uns um. Wo sind wir? Wer ist sonst noch da? Ist es spät in der Nacht? Was für eine Gegend ist es? Hängen gelangweilte Teenager herum, die nach Unterhaltung suchen? Steht eine Gruppe junger Männer draußen vor einem Pub? Und wenn wir dann entscheiden ‚Okay, vielleicht ist es okay‘, dann halten wir tatsächlich Händchen, aber die Sache ist die, dass diese Geste jetzt nicht mehr beiläufig und gedankenlos ist; sie ist nun abgewägt und bedacht.
Aber wir schlendern Hand in Hand weiter, um normal und sorglos zu wirken, wie alle anderen; aber tatsächlich sind wir das nicht, weil wir ununterbrochen die Straße vor uns im Auge behalten, nur für alle Fälle. Und wenn wir dann eine Gruppe junger Typen auf uns zu kommen sehen, dann entscheiden wir vielleicht stumm weiter Händchen zu halten, aus Trotz.
Aber jetzt ist unsere kleine intime Geste zwischen zwei sich liebenden Personen nicht länger eine kleine intime Geste, sie ist ein politischer Akt des Trotzes und ist ruiniert. Und dann denkst du dir irgendwie ‚Ach, wir hatten so einen netten Nachmittag im Garten-Center, um uns Sachen für den Garten anzusehen, den wir gar nicht besitzen‘ und dann denkst du dir ‚alles, was es jetzt braucht, ist ein rausgezischtes „Schwuchteln“ oder eine blutige Lippe, um diesen wirklich netten Nachmittag in einen furchtbaren Nachmittag zu verwandeln, an den du dich nie mehr erinnern willst.‘
[…]
Wir leben in dieser Art von homophober Welt und Sie denken vielleicht, dass eine kleine Sache wie Händchen halten in der Öffentlichkeit – nun es ist nur eine Kleinigkeit. Und sie haben recht – es ist tatsächlich nur eine kleine Sache, aber es ist eine der vielen Kleinigkeiten, die uns menschlich machen. Und es gibt viele kleine Dinge, mit denen sich LGBT-Personen täglich abfinden müssen, mit denen sich andere Menschen nicht abfinden müssen.
Viele Kleinigkeiten, die wir hinnehmen müssen, aus Gründen der Sicherheit oder um nicht zum Ziel von Spott und Hohn zu werden. Und es wird erwartet, dass wir diese Dinge hinnehmen und einfach dankbar sind, weil wir nicht in einem Land leben in dem wir verhaftet oder hingerichtet werden könnten, weil wir homosexuell sind. Und wir sind so daran gewöhnt, diese kleinen Anpassungen jeden Tag vorzunehmen, dass wir sie selber gar nicht mehr bewusst wahrnehmen, weil sie zum Hintergrund unseres Lebens gehört, diese konstante böswillige Präsenz, an die wir uns gewöhnt haben.
Und wenn wir uns beschweren, dann sagt man uns, dass wir doch nichts hätten, worüber wir uns beschweren könnten, weil ‚bist du nicht froh, nicht in Uganda zu leben?‘ Und ja, ich bin froh nicht in Uganda zu leben, aber das ist nicht gut genug. Dies ist kein Spiel oder Wettbewerb, in dem die Person, die es am schlimmsten hat, das Recht gewinnt sich zu beschweren und der Rest muss es hinnehmen und die Klappe halten.“

Die Rede war fantastisch und bringt Dinge zur Sprache, die vermutlich viele LGBTQ-Personen wiedererkennen. Auch wenn wir heute natürlich auf einem nie dagewesenen Niveau der Toleranz und Akzeptanz existieren, herrscht immer noch eine oft beiläufige Atmosphäre der Homophobie. Auch in Deutschland.
Vor einigen Tagen testeten zwei heterosexuelle Moderatoren des Radiosenders BBC Three Counties Radio, wie es ist, wenn zwei Männer Händchen haltend durch die Straßen laufen:

Betrachtet man dann die noch weit offeneren Auswüchse der Homophobie, etwa bei den Eltern-Demos, die ab diesem Wochenende weitergehen, oder beim Pegida-Positionspapier, das sich auch gegen LGBTQ richtet, dann bleibt nur zu hoffen, dass es auch weiterhin bergauf für uns geht.
Nicht zu vergessen die offene Feindseligkeit, die manchmal überraschend aufflammt.
Am vergangenen Freitag wurde ein lesbisches Paar aus einem Wiener Kaffeehaus geworfen, dem Traditions-Café Prückel, weil sie sich zur Begrüßung küssten. Als ein Kellner sie deswegen anfuhr, beschwerten sich die beiden Frauen bei der Geschäftsleitung. Besitzerin Christl Sedlar soll dies mit den Worten kommentiert haben, die „Zurschaustellung der Andersartigkeit“ gehöre nicht in ein traditionelles Wiener Kaffeehaus, sondern in einen „Puff“ und hat sie dann des Hauses verwiesen.
Laut österreichischen Quellen soll dies auch kein Einzelfall in Wiener Kaffeehäusern sein. Leider ist in Österreich nur Diskriminierung im Berufsleben illegal. Queeramnesty fordert nun auch die Ausweitung der entsprechenden Gesetze auf andere Bereiche des Lebens.
Wobei wir in Deutschland zwar theoretisch durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auch im Zivilrecht geschützt sind vor ähnlichen Szenen. Bleibt nur die Frage, ob ein Schmerzensgeld hinterher ein solches Justizdrama wert ist. Und in bestimmten Bereichen, vor allem dem Mietrecht, ist es immer noch zulässig, dass Vermieter dieses Gesetz ignorieren dürfen. Ist das nicht eine tolle Aussicht?

Links
Wikipedia – Panti.
Wien: Lesbisches Paar aus Kaffeehaus geworfen – Queer.de.
Lesben- und Schwulenverband – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
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